Grundsätzliches
Bodenseehefte - Bildende Kunst Andrea Hofmann
Dezember 1993 / Januar 1994
Getragene
Wäsche -
Abgelegte Häute
Zwei Motivkomplexe haben die Künstlerin
Agnes Blum in ihrem Werk bisher hauptsäch-
lich beschäftigt: die auf dem Leib getragene
Wäsche und die unter der Wäsche getragene
Haut. In der Rauminstallation, die im neuen
Jahr - vom 11. Januar bis zum 11. Februar -
in der Galerie Grashey in Konstanz zu sehen
ist, setzt sie einen vorläufigen Schlusspunkt
unter ihre Auseinandersetzung mit dem
Thema „Häutungen”.
Am Anfang war der Stoff: der Stoff, aus dem die Kleider sind, die Tücher und Gewänder, der Stoff, auf dem man ruht und sich bettet,
der Stoff, mit dem man seinen Körper umhüllt.
Stoff ist ein Material, das angefasst, berührt, gestreichelt werden will,
das den Kontakt mit dem Körper - genauer gesagt: mit der Haut - provoziert,
ja fast zwingend verlangt. Stoff appelliert an den Tastsinn:
Es genügt nicht ihn mit den Augen zu erfassen, mit den Händen muß er begriffen werden.
Agnes Blum (Jahrgang 1942) gehört einer Generation von Frauen an, für die der Stoff, das Kleid, die Wäsche noch einen wesentlichen Teil ihrer weiblichen Sozialisation ausmachten. Angefangen bei der Erziehung im mütterlichen Haushalt und dem Unterrichtsfach „Nähen” in der Schule über das richtige Sich-Kleiden bis hin zur richtigen Aussteuer als Garantie für eine gesicherte Zukunft war - und ist - der Bereich des Textilen eng mit der Lebenswelt der Frau verknüpft.
In der historischen wie der individuellen Erfahrung haben sich spezifisch weibliche Erlebnisse und Erinnerungen - bezogen auf Sexualität, Hochzeit, Geburt und Tod - mit Stoffen, Tüchern und Gewändern verwoben. Märchen, Mythen und Geschichten bieten zahlreiche Beispiele von der Verknüpfung des Weiblichen mit dem Textilen als dem Gewebten und Gewirkten. Daher haben vornehmlich Frauen eine Sensibilität gegenüber diesem Material entwickelt und im Bereich der Kunst ein eigenes Genre geschaffen - die Textilkunst -, bei dem man getrost von „Weiblicher Ästhetik” sprechen kann.
Agnes Blum (Jahrgang 1942) gehört einer Generation von Frauen an, für die der Stoff, das Kleid, die Wäsche noch einen wesentlichen Teil ihrer weiblichen Sozialisation ausmachten. Angefangen bei der Erziehung im mütterlichen Haushalt und dem Unterrichtsfach „Nähen” in der Schule über das richtige Sich-Kleiden bis hin zur richtigen Aussteuer als Garantie für eine gesicherte Zukunft war - und ist - der Bereich des Textilen eng mit der Lebenswelt der Frau verknüpft.
In der historischen wie der individuellen Erfahrung haben sich spezifisch weibliche Erlebnisse und Erinnerungen - bezogen auf Sexualität, Hochzeit, Geburt und Tod - mit Stoffen, Tüchern und Gewändern verwoben. Märchen, Mythen und Geschichten bieten zahlreiche Beispiele von der Verknüpfung des Weiblichen mit dem Textilen als dem Gewebten und Gewirkten. Daher haben vornehmlich Frauen eine Sensibilität gegenüber diesem Material entwickelt und im Bereich der Kunst ein eigenes Genre geschaffen - die Textilkunst -, bei dem man getrost von „Weiblicher Ästhetik” sprechen kann.
Mein
Material
ist Stoff
Als Künstlerin ist Agnes Blum, die gelernte Erzieherin,
Autodidaktin. Schon früh galt ihr Interesse Stoffen und
Tüchern, entwarf und schneiderte sie Kleider und Dekorationen. In den siebziger Jahren intensivierte und er-
weiterte sie die Beschäftigung mit dem „weichen Material”: kunstvolle Stoffbilder und Quilts entstanden. Die
Grenze zwischen angewandter und der Kunst wurde fließend und schließlich
ging ihre Auseinandersetzung mit Stoffen weit über das hinaus, was gemeinhin
unter dem Begriff „Textilkunst” zusammengefasst wird.Material
ist Stoff
Von der Textilkünstlerin, deren Arbeiten mehrfach in der Zeitschrift „Textilkunst” gewürdigt wurden, entwickelte sie sich zur freien Künstlerin, deren Schaffen sich auf Objekte, Raum-Installationen und Performance konzentriert. Die Auseinandersetzung mit Stoffen, Kleidungs- und Wäschestücken führte sie zur Bes- chäftigung mit „Haut” und „Hülle”: mit der Haut von Menschen, der Hülle von Räumen. „Häutungen”, Ver- und Enthüllungen wurden zum Hauptmotiv ihres Werkes.
Textilkünstlerin ist sie trotzdem geblieben: im engeren Sinne, indem sie sich mit angewandter Textilkunst einen Teil ihres Auskommens sichert, in einem weiteren Sinne, indem Textilien - vor allem in Form von benutzten und abgenutzten Stoffen oder Kleidungsstücken - auch in ihrer freien künstlerischen Arbeit ein wesentliches Ausgangsmaterial bilden. Hierbei liegt ihr Augenmerk jedoch weniger auf der Stofflichkeit und qualitativen Beschaffenheit des Materials als vielmehr auf dem, was die (ab-)getragenen Stoffe an Geschichten und Spuren aufgenommen haben.
Der wichtigste Lehrmeister ist ihr jedoch der Alltag. Ihn WAHR zu NEHMEN, seine Rituale in ihrem psychosozialen Zusammenhang zu sehen und in die Kunst zu transformieren, empfindet Agnes Blum als ihre Lust und Aufgabe.